Großes Kino in Norwegen

Radreise durch die Heimat der Trolle

Die Alpen haben viele mit dem Fahrrad bezwungen, doch wer hat sich schon an den Passstraßen im hohen Norden versucht? Naturfans zieht es nach Fjordnorwegen. Dort wechseln die Panoramen im Stundentakt. Die Tage sind lang, und am Ende der Reise möchte man am liebsten für immer da bleiben. Aber Vorsicht – das Wetter kann launisch sein, wie Thorsten Brönner zu berichten weiß.

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Text/Bilder: Thorsten Brönner

Im Speisesaal der Berghütte »Finse 1222« herrscht Aufbruchsstimmung. An den Holztischen löffeln drahtige Norweger ihr Müsli, füllen Thermoskannen mit Tee, stellen Lunchpakete zusammen. Aus der Bäckerei zieht der Duft von frischgebackenem Brot. Bedienungen tragen Teller mit Rührei und Speck aus der Küche. Die Gäste schauen durch die Panoramafenster auf eine archaische Kulisse, die wie im Zeitraffer erwacht. Vier Farben dominieren das Landschaftsgemälde: Blau, Grün, Grau, Weiß. Das Blau des Himmels und der Seen, das Grün der schmalen Wiesenmatten, das Grau der Gesteinsblöcke aus Gneis und das Weiß einer Gletscherzunge des Hardangerjøkulen.

Rallarvegen

Gestern sind meine Frau Monika und ich mit der Bergenbahn von Oslo aus ins Fjell gefahren. Die Trasse steht für 516 Kilometer Schienentraum, fast 200 Tunnels und etwa 300 Brücken. Und sie steht für beeindruckende Landschaften. Bequemer kommt man nicht ins Fjell – und an die Fjorde. Wir schreiben das Jahr 1909. Norwegen ist ein armes Land; in den letzten 70 Jahren wanderten rund 900.000 Menschen Richtung Amerika aus. Damals hieß Oslo noch Christiania. Im kleinen Gebirgsort Voss versammelt sich am 27. November am Bahnhof eine Menschenmenge. Sie erwarten König Haakon VII. Er ist an den Vangsvatnet-See gereist, um den Schienenstrang zwischen den zwei größten Städten Norwegens einzuweihen. In der Eröffnungsrede sprach er von »einem Meisterwerk unserer Generation«. Inzwischen gelangt man bequem ans nordwestliche Ende der Hardangervidda.

Wie im Rausch

Mit sanften Schwüngen führt die Schotterpiste am schimmernden Finsevatnet entlang. Wir strampeln ohne Eile durch die menschenleere Bergwelt. Rundherum sieht man Felsen, wie von zornigen Trollen hingewürfelt. Sie liegen auf den lang gestreckten Anhöhen. Sie ruhen auf den Moospolstern, in die wir uns am liebsten hineinwerfen möchten. Sie lugen wie Krokodilrücken aus den Seen, wie Lachsbuckel aus den klaren Bächen. Felsen und Wasser, so weit das Auge reicht.

Nach einer Stunde beginnt die Abfahrt. Die Räder rollen los – Kurve um Kurve. Warme Luft umschmeichelt die Haut, das Gelände nimmt liebliche Züge an. Farnkraut überzieht zusammen mit violett blühendem Wiesenstorchschnabel die dunkelgrünen Hänge. Von einem Moment auf den anderen brechen die Berge jäh ab. Linker Hand stürzt der Myrdalsfossen donnernd in das wildromantische Flåmdalen. Jetzt heißt es, beide Bremsen ziehen und hoch konzentriert die zwanzig Spitzkehren hinabtasten. Am Ufer des Aurlandsfjords glühen die Scheibenbremsen. Monika wirkt beschwingt, ich bin euphorisch. Irgendwo dort hinten, zwischen den Felsen und dem Wasser ist es passiert – das Nordlandfieber hat uns gepackt!


GPS-Daten  |  Länge 420 km  |  Webcode #4447  |  GPX Track herunterladen


Die vollständige Tourenbeschreibung lesen Sie in der Ausgabe 3/2016 des Bike&Travel Magazins.

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